Zukunftstrends: Lebensgestaltung

 

Zunehmende Nutzung digitaler Medien

Genauso wie sich die technische Entwicklung und der soziale Wandel beschleunigen, wird auch das Leben der Menschen hektischer werden: Sie werden immer mehr Dinge gleichzeitig tun (Multitasking) und zunehmend Angst haben, etwas zu verpassen – seien es Informationen, Events oder der Anschluss an Freunde. Letzteres zeigt sich z.B. in der zunehmenden Nutzung von Handys, um zu erfahren, was Bekannte gerade machen, welche Freizeitaktivitäten sie planen, was sie lesen, was sie gerade gekauft haben, welche Filme sie anschauen usw. Im Jahr 2020 verwendeten laut der Daten- und Analyseplattform „data.ai“ Menschen weltweit ihre Smartphones im Durchschnitt für 3,7 Stunden pro Tag. Bei der 18. Shell Jugendstudie 2019 gaben die befragten 12- bis 25-Jährigen an, dass sie an einem gewöhnlichen Tag 3,7 Stunden im Internet seien, wozu 70% der jungen Menschen in erster Linie das Handy nutzten.

Laut Statista gab es 2022 rund 62,6 Millionen Smartphone-Nutzer/innen in Deutschland. Mehr als 90% verwendeten ihr Handy, um Medien zu konsumieren, und 61% nutzten Messenger-Dienste. Laut Postbank verbrachten die Deutschen im Jahr 2022 durchschnittlich 20,2 Stunden pro Woche mit ihrem Smartphone im Internet – 7,5% mehr Zeit als 2021. Bei den unter 40-Jährigen waren es sogar 31,8 Stunden.  

Vor diesem Hintergrund wird oft problematisiert, dass die dauernde Unterbrechung anderer Aktivitäten durch die Handynutzung zu einer zunehmenden Fragmentierung des Alltags, zu weniger Konzentration und abnehmender Produktivität führe. Zudem könnten immer mehr Menschen internetsüchtig werden. So berichtete die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, dass 2019 z.B. 8,2% der 10- bis 17-Jährigen eine riskante und 3,2% eine pathologische Nutzung von Social Media zeigten; hinsichtlich des Spielverhaltens waren es 10,0 bzw. 2,7%.

Die Menschen werden laut der Studie „Zukunft und Zukunftsfähigkeit der Informations- und Kommunikationstechnologien und Medien“, die u.a. von der Deutschen Telekom AG herausgegeben wurde, in den nächsten Jahren weiterhin klassische Printmedien nutzen. Jedoch werden in Deutschland – wie schon in den USA – viele Zeitungen und Zeitschriften nicht überleben, zumal sie zunehmend im Internet gelesen werden und Menschen immer öfter auf andere Informationsquellen wie die sozialen Medien zurückgreifen. Bücher werden auch immer mehr Konkurrenz durch E-Books erfahren. Es wird nur selten für eine längere Zeitdauer gelesen werden, sondern eher in Pausen oder in „Häppchen“.

Laut der vorgenannten Studie wird das Internet im Jahr 2025 das Unterhaltungsmedium Nummer eins sein; mehr als 95% der Deutschen werden es regelmäßig nutzen. Jeder zweite wird sich dann auch in virtuellen Welten und Communities bewegen. Immer mehr Menschen werden Filme und Texte sowohl auf dem Fernseher bzw. dem PC-Bildschirm als auch auf dem Smartphone, Laptop oder Tablet anschauen. Das Angebot an Videos und komplexen Computerspielen wird weiter wachsen. Ferner können immer mehr Orte und Institutionen via Internet aufgesucht werden – bereits jetzt besucht mehr als die Hälfte der Menschen eher virtuelle als physische Museen. Auch das soziale Leben wird zunehmend durch das Internet bestimmt werden: Es wird weniger persönliche Kontakte vor Ort und mehr virtuelle geben. Insbesondere bei Kindern und Jugendlichen besteht dann die Gefahr, dass kommunikative und interpersonale Kompetenzen nur noch unzureichend entwickelt werden.

Bei der Mediennutzung wird die Unterhaltung weiterhin dominieren, wobei oberflächlicher konsumiert wird: Das Fernsehen wird zunehmend nebenher laufen, während die Menschen anderen Beschäftigungen nachgehen. Außerdem wird zunehmend zwischen Sendern gezappt und kaum eine Sendung zu Ende angesehen, werden nur kurze Filme angeschaut und eher seichte, oberflächliche und gewalttätige Sendungen ausgewählt. Immer häufiger werden Streaming-Dienste genutzt.

Ferner wird die Freizeit stärker strukturiert und fokussiert gestaltet werden. Die hier entstehenden Kosten werden ansteigen, da die Menschen mehr für Freizeitaktivitäten (z.B. für Besuche in Fitness-Studios, Thermen usw., für Internetnutzung, Streaming etc., für notwendige Ausstattungen wie Bikes, Sportbekleidung usw.), für kulturelle Angebote, Events und Kurzreisen ausgeben werden. Haustiere wie Hunde und Katzen werden seltener gehalten werden, weil Kinder und Erwachsene ganztags außer Haus sind, eine artgerechte Haltung aufgrund des abnehmenden Zugangs zu Grünflächen schwieriger wird sowie sich das gerade skizzierte Freizeitverhalten nur schwer mit der Tierhaltung vereinbaren lässt. Ein eher kurzzeitiges, individuell und flexibel gestaltbares soziales Engagement wird zunehmen, während die Bereitschaft zu einer längerfristigen Bindung – z.B. in der Form von ehrenamtlichen Vorstandstätigkeiten bei Verbänden und Vereinen – weiter zurückgehen dürfte.

Gesundheit und Ernährung

Aus Angst vor dem Alter, vor Krankheit und Pflegebedürftigkeit werden Menschen immer mehr Wert auf eine gesunde Lebensführung legen. So werden sie Sport treiben bzw. regelmäßig in ein Fitness-Studio gehen, einen Kuraufenthalt buchen oder Wellness-Angebote nutzen. Bei ihren Aktivitäten werden sie sich zunehmend von Gesundheits-Apps leiten lassen – laut Statista nutzten bereits 24% der Deutschen im Jahr 2021 Fitness-Apps, 21% Fitness-Tracker und 19% Smartwatches. Die Menschen werden mehr „Health Food“ und Nahrungsergänzungsmittel sowie mehr Lebensmittel mit gesundheitsfördernden Bestandteilen essen – Curry mit Power-Algen, Hamburger mit mikroverkapselten Vitaminen, Tomatensalat mit Krebsprophylaxe. Ferner werden sie mehr Bio-Produkte und mehr Lebensmittel aus der Region verzehren. Außerdem wird die Zahl der Vegetarier bzw. Veganer weiter zunehmen – alleine im 1. Quartal 2020 stieg die Produktion entsprechender Lebensmittel laut Bundesamt für Statistik um 37% an. Aber auch mehr Fleischersatz wird konsumiert werden – er könnte laut der Unternehmensberatung A.T. Kearney im Jahr 2030 bereits 28% des weltweiten Fleischmarkts ausmachen.

Jedoch werden sich auch in Zukunft viele Menschen eher ungesund ernähren. So dürfte der Konsum von Fertiggerichten, Tiefkühlkost und Snacks weiter ansteigen, werden Lieferdienste zunehmend genutzt, suchen mehr Menschen Kantinen und Imbisse auf. Immer häufiger wird auf das Frühstück verzichtet; „Mobile Eating“ (Essen im Gehen) findet auf dem Weg zur Arbeit oder zur Schule statt.

Die Menschen werden weiterhin in Supermärkten einkaufen, allerdings immer öfters bargeldlos – und dank RFID ohne Personal an den Kassen. Für Kaufentscheidungen werden Websites, auf denen User Produkte bewerten, immer wichtiger werden. So werden die Menschen als Kund/innen souveräner agieren, da sie über Preise und Qualität der sie interessierenden Produkte und Dienstleistungen gut informiert sind.

Die Kleidung wird aus neuartigen Materialien bestehen, die sich dem Wetter anpassen sowie schmutzresistent, atmungsaktiv und feuchtigkeitsabweisend bzw. wasserdicht sind. Sie wird die Energie von Bewegungen in Elektrizität umwandeln und diese speichern, bis sie z.B. für das Aufladen eines Akkus benötigt wird. Manche Kleidungsstücke werden als Display dienen, Körperfunktionen überwachen und bei Unfällen automatisch einen Notruf auslösen. Kleidung und Schuhe werden zunehmend aus recycelten bzw. recycelbaren Materialien hergestellt werden. Zudem werden mehr Bestandteile biologisch abbaubar sein.

Wohnen

Laut einer Prognose des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung müssten zwischen 2021 und 2025 jährlich 229.000 Wohnungen und von 2026 bis 2030 ca. 180.000 Wohnungen pro Jahr neu gebaut werden, da die Zahl der Haushalte weiter steigen würde. Die Eigentümerquote werde bis 2030 auf rund 50% zunehmen. Die Pro-Kopf-Wohnfläche werde auf ca. 47 Quadratmeter steigen – bei Eigentümerhaushalten um jeweils rund fünf Quadratmeter auf 54 Quadratmeter in den alten Ländern und auf 49 Quadratmeter in den neuen Ländern sowie bei Mieterhaushalten um jeweils rund drei Quadratmeter auf 43 Quadratmeter in den alten Ländern und 41 Quadratmeter in den neuen Ländern.

Aufgrund der Wohnungsnot in den Ballungsräumen werden die dortigen Miet- und Eigentumswohnungen noch teurer werden. Laut dem Internetportal immowelt.de werde z.B. in München der Quadratmeterpreis von 7.110 Euro (2018) auf ca. 11.380 Euro im Jahr 2030 steigen, in Frankfurt von 4.660 auf 7.080 Euro, in Hamburg von 4.310 auf 6.520 Euro, in Stuttgart von 4.070 auf 6.320 Euro und in Berlin von 3.870 auf 6.190 Euro.

Bei Neu- und Umbauten werden Häuser immer besser wärmeisoliert und nutzen zunehmend erneuerbare Energien. So könnte das Solarhaus bis 2030 Baustandard werden. Dann werden Solarkollektoren und Fotovoltaikmodule (eventuell auch Wärmepumpen) miteinander kombiniert sowie die Be- und Entladetechnik großer Speicher optimiert werden. Die Sonne wird bis zu 100% des Wärmebedarfs abdecken.

In den kommenden Jahren werden die Wohnungen „intelligenter“ werden: Heizung, Klimaanlage und viele andere Geräte werden von Computern gesteuert werden. Die Bewohner/innen können über das Internet auf sie zugreifen, also z.B. die Heizung erst kurz vor ihrem Eintreffen höher stellen. So wird rund 30% weniger Energie als heute verbraucht werden.

Laut dem Zukunftsforscher Matthias Horx wird die klassische Raumaufteilung der Wohnungen bald der Vergangenheit angehören. Das Wohnzimmer wird zu einer „hochgerüsteten Technikzentrale“ mit allen modernen Medien werden. In Eigenheimen und größeren Apartments wird jeder Bewohner ein eigenes Zimmer haben, in das er sich zurückziehen kann, um sich zu entspannen, um mit Freund/innen zu interagieren, für die Schule zu lernen, Berufliches zu erledigen oder sich weiterzubilden. Die Küchen werden kleiner sein und häufig offen in den Wohnbereich integriert werden. Es wird immer weniger „klassisch“ gekocht werden.

Vereinzelt wird es neue Wohnkonzepte wie Mehr-Generationen-WGs oder Communities Gleichgesinnter geben. Da Senior/innen immer häufiger alleine leben und da nach Schätzung des Robert Koch-Instituts 30% der über 75-Jährigen im Alltag nicht mehr allein zurechtkommen, wird dem altengerechten Wohnen eine größere Bedeutung zukommen. Hier kann der Flachbildschirm als Fernseher, Computer und Bildtelefon dienen, ermöglicht also auch den Kontakt zu Pfleger/innen, Ärzt/innen und Verwandten. Zudem werden Waage und Blutdruckgerät mit dem Bildschirm gekoppelt sein, können somit Blutdruck, Gewicht, Körperfett, Wasserhaushalt und Muskelmasse überwacht werden. Sensoren werden biometrische Daten wie z.B. die Atem- und Pulsfrequenz automatisch erfassen. Werden Toleranzwerte über- oder unterschritten, wird Alarm ausgelöst. Nachts werden von Bewegungssensoren gesteuerte Lichtstreifen den Weg zur Toilette zeigen. Auch könnte im Medikamentenschrank ein Licht aufleuchten, wenn es Zeit für Tabletten ist. In der Küche werden Arbeitsplatte und Herd auf die gewünschte Höhe abgesenkt werden können, sodass sich selbst Rollstuhlfahrer/innen eigenständig versorgen können. Ferner wird es automatische Notruffunktionen, eine Einbruchsalarmierung sowie eine Überwachung des Raumklimas geben.

Ehe und Familie

Viele der bereits skizzierten Zukunftsentwicklungen haben große Auswirkungen auf das Zusammenleben von Menschen. So wird aufgrund der zurückgehenden Geburtenzahl der Anteil der Haushalte mit Kindern weiter schrumpfen. Damit wird sich ein schon seit längerer Zeit zu beobachtender Trend fortsetzen: Während die Zahl der Privathaushalte zwischen 1991 und 2021 von 34,6 Millionen auf 40,7 Millionen gestiegen ist, ging der Anteil der Haushalte mit drei oder mehr Personen von 36,1% auf 25,1% zurück.

Nach einer Prognose des Statistischen Bundesamtes wird die Zahl der Privathaushalte von 41,4 Millionen im Jahr 2018 auf 42,6 Millionen im Jahr 2040 ansteigen. Die Zahl der Einpersonenhaushalte dürfte in diesem Zeitraum von 17,3 Millionen auf etwa 19,3 Millionen zunehmen. Dann werden 24% aller in Privathaushalten lebenden Menschen alleine wohnen. Die Zahl der Zweipersonenhaushalte wird nur wenig von 14,0 Millionen (2018) auf 14,1 Millionen (2040) ansteigen. Hingegen wird die Zahl der Haushalte mit drei oder mehr Mitgliedern, die vor allem aus Familien mit Kindern bestehen, von 9,9 auf 9,2 Millionen zurückgehen. Die durchschnittliche Haushaltsgröße im Jahr 2040 wird dann nur noch 1,9 Personen betragen.

In den kommenden Jahren wird es aber nicht nur weniger Haushalte mit Kindern geben, sondern in ihnen werden auch weniger „klassische“ Familien (ein verheiratetes Ehepaar mit leiblichen Kindern) leben. Hingegen werden hier mehr nichteheliche Lebensgemeinschaften, Alleinerziehende und Stieffamilien wohnen, vermutlich auch mehr „Regenbogenfamilien“ (mit gleichgeschlechtlichen Eltern) und Familien mit Partnern aus unterschiedlichen Kulturen. Im Jahr 2021 gab es in Deutschland 8,3 Millionen Familien mit minderjährigen Kindern – 914.000 weniger als vor 20 Jahren. 70,2% der Familien bestanden aus einem Ehepaar mit Kindern (2001: 77,6%); 11,7% waren nichteheliche Lebensgemeinschaften (2001: 6,4%) und 10,6% Alleinerziehende mit Kindern (2001: 16,0%).

Die durchschnittliche Kinderzahl beträgt derzeit zwei Kinder; sie ist etwas höher bei Migrantinnen und Frauen mit niedrigem Bildungsstand. Nur in 11,8% der Familien lebten im Jahr 2021 mindestens drei Kinder. In den kommenden Jahren könnte es zu einem Anstieg kinderloser Paare kommen – egal ob verheiratet oder unverheiratet, ob hetero- oder homosexuell. So stagniert der Kinderwunsch auf niedrigem Niveau – z.B. laut der 18. Shell Jugendstudie von 2019 möchten nur 68% der Jugendlichen im Alter von 12 bis 25 Jahren Kinder haben (2010: 69%). Der Kinderwunsch ist bei jungen Männern mit 64% schwächer ausgeprägt als bei jungen Frauen mit 71%. Im Jahr 2018 waren 21% der 42- bis 49-jährigen Frauen kinderlos (2008: 17%) – bei Akademikerinnen waren es sogar 26% (2008: 28%).

Insbesondere die Veränderungen in der Arbeitswelt werden in Zukunft die Partnersuche erschweren, die Familiengründung beeinträchtigen und Beziehungen brüchiger machen: Wenn Arbeitnehmer/innen freiwillig oder gezwungenermaßen mobil sind, also ihren Arbeitsort häufiger wechseln oder viel auf längeren Dienstreisen sind, wird es schwieriger werden, Partnerschaften langfristig aufrechtzuerhalten oder sich für ein Kind zu entscheiden. Wenn viele junge Menschen (auch mit guten Berufs- und Hochschulabschlüssen) zwischen Langzeitpraktika, befristeten Stellen, Teilzeitjobs und Phasen der Arbeitslosigkeit wechseln und wenn gut dotierte Arbeitsplätze mit Festanstellung seltener werden, dann werden weniger Paare die für eine Familiengründung zumeist für notwendig gehaltene finanzielle Sicherheit verspüren. Hinzu kommt, dass laut dem „Deutsche Post Glücksatlas 2015“ 69% der Befragten – und sogar 75% der Frauen zwischen 20 und 35 Jahren – der Meinung sind, dass es heute schwieriger sei, eine Familie zu gründen, da der Job stressiger wäre. Zudem werden Nachteile hinsichtlich der eigenen Karriere erwartet.

Wenn erwerbstätige Eltern aufgrund der gestiegenen Anforderungen immer mehr Zeit an ihrem Arbeitsplatz verbringen, ausgepowert nach Hause kommen und dann oft noch weiterarbeiten müssen, werden sie wenig Zeit für die Pflege der Paarbeziehung und gemeinsame Freizeitaktivitäten haben – Entfremdung, Stress und Konflikte werden die Partnerbeziehungen labiler machen, und so wird es häufig zu Trennung, Scheidung und Alleinerzieherschaft kommen. Viele Geschiedene (wie heute zumeist Väter) werden getrennt von ihren Kindern leben.

Eltern werden aufgrund der längeren Arbeitszeiten auch immer weniger Zeit für ihre Kinder und deren Erziehung haben. Nicht nur Väter werden aufgrund der beruflichen Anforderungen länger an ihrem Arbeitsplatz sein, sondern auch Mütter. Zudem wird sich der Trend fortsetzen, dass immer mehr Mütter immer früher nach der Geburt eines Kindes wieder arbeiten gehen und häufiger Vollzeit erwerbstätig sind. Laut Statistischem Bundesamt stieg der Anteil erwerbstätiger Mütter mit minderjährigen Kindern von 69,3% im Jahr 2010 auf 74,9% im Jahr 2020 – aber nur 34% arbeiteten Vollzeit. Die Teilzeitquote war mit 69,3% bei Müttern mit mindestens einem Kind unter 12 Jahren höher; bei Vätern lag sie bei nur 7,6%.

Hinzu kommt oft ein langer Weg zur Arbeit – nicht nur bei Menschen in Großstädten (z.B. wegen vieler Staus oder mehrmaligen Umsteigens bei Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel), sondern auch bei Pendler/innen: Laut Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung hat die Zahl der Pendler von 53% aller Arbeitnehmer/innen im Jahr 2000 auf knapp 60% im Jahr 2021 zugenommen; die Länge der zurückzulegenden Strecke stieg im gleichen Zeitraum von 14,6 Kilometern auf 16,9 Kilometer. Besonders hoch ist die Pendlerquote in Großstädten mit hohen Immobilienpreisen und Mieten – z.B. arbeiten in München, der „Pendlerhauptstadt Deutschlands“, 365.000 Menschen, die außerhalb der Stadtgrenze zu Hause sind. Das Pendeln ist aber nicht nur mit einem hohen Zeitaufwand verbunden – Zeit, die für die Familie fehlt –, sondern auch mit Stress.

Ferner werden Erwerbstätige zunehmend am Abend und an Wochenenden arbeiten müssen. Im Jahr 2019 arbeiteten laut Statistischem Bundesamt schon 24% der Berufstätigen ständig oder regelmäßig auch an Samstagen und 13% an Sonntagen; 18% der Arbeitnehmer/innen leisteten regelmäßig Abend- und knapp 5% Nachtarbeit. So entsteht eine paradoxe Situation: Einerseits verlangen Arbeitgeber/innen eine große Flexibilität (und oft wird diese auch von den Arbeitnehmer/innen gewünscht), andererseits erfordern Familienbeziehungen eine gewisse Stabilität und viel Zeit, um die Partnerschaft zu pflegen, um den Kindern eine verlässliche Lebenswelt zu bieten und um sie zu erziehen. Da kindliche Bedürfnisse aber mangels Zeit immer häufiger vernachlässigt werden, dürfte die Zahl von Kindern mit psychischen Problemen und Verhaltensauffälligkeiten weiter zunehmen.

Kleinkinder werden in den kommenden Jahren immer früher und immer länger in Tageseinrichtungen oder Tagespflege betreut werden. So werden die Betreuungsangebote für unter Dreijährige weiter ausgebaut werden, wird es mehr Ganztagsplätze geben, werden insbesondere in größeren Städten mehr Tagesstätten auch am Abend oder am Wochenende geöffnet haben. Im März 2022 wurde laut dem Bundesamt für Statistik bereits für 35,5% aller Kinder unter drei Jahren Ganztagsbetreuung genutzt (für 53,3% in Ostdeutschland und 31,8% in Westdeutschland); die Betreuungsquote Drei- bis Sechsjähriger lag bei 91,7%. Jedoch gab es erst für jedes fünfte Kind unter drei Jahren und für knapp die Hälfte der älteren Kleinkinder einen Ganztagsplatz.

Schulen werden immer häufiger Ganztagsschulen sein oder eine verlässliche Nachmittagsbetreuung anbieten. Im Jahr 2020 besuchten laut Kultusministerkonferenz 47,2% der Schüler/innen allgemeinbildende Schulen ganztags – wobei es große Unterschiede zwischen den Bundesländern gab: Die Extreme waren 93,9% in Hamburg und 17,3% in Bayern. Ferner wird es mehr Betreuungsangebote für Schüler/innen während der Schulferien geben. Immer mehr Eltern werden auch die Nachhilfe an Fachleute delegieren – laut Bertelsmann Stiftung gaben sie fast 900 Millionen Euro im Jahr 2016 dafür aus. Einer Umfrage von YouGov von 2019 zufolge nutzten 14% der Schüler/innen Dienste professioneller Nachhilfelehrer/innen und weitere 26% diejenigen privater Nachhilfelehrer/innen (wie z.B. Student/innen); 39% behalfen sich mit dem Internet.

So wird in den kommenden Jahren die Bedeutung der Familienerziehung sinken, werden Sozialisation, Erziehung und Bildung von Kindern zunehmend von sozialpädagogischen Fachkräften und Lehrern übernommen werden (auf das Bildungswesen wurde auf der Unterseite „Bildung“ genauer eingegangen).

Wenn Eltern und Kinder immer weniger Zeit (gemeinsam) zu Hause verbringen – und diese oft noch in verschiedenen Zimmern –, werden die Familienbeziehungen lockerer werden. Da die Familienmitglieder zu unterschiedlichen Zeiten nach Hause kommen, werden sie nur selten gemeinsam speisen (und Tischgespräche führen), sondern sich zumeist selbst versorgen (z.B. mit Tiefkühlkost oder „Junk-Food“) – sofern sie ihren Hunger nicht schon an ihrem Arbeitsort, in der Kindertageseinrichtung bzw. Schule oder auf dem Heimweg gestillt haben. Da Kinder immer früher selbständig werden, sind sie nach der Schule auch oft bei Freunden bzw. mit diesen unterwegs. So wird an vielen Tagen die Kommunikation mit den Eltern nur über das Handy oder per Video-Telefonie erfolgen. Das wird natürlich auch dann der Fall sein, wenn die Eltern zur Schlafenszeit der Kinder noch an ihrem Arbeitsplatz oder auf Dienstreisen sind.

Dennoch scheint sich die abnehmende Familienzeit in der Regel nicht negativ auf die Eltern-Kind-Beziehung oder auf die Familienerziehung auszuwirken – zumindest bei älteren Kindern. So zeigte die 18. Shell Jugendstudie 2019, dass der Anteil der 12- bis 25-Jährigen, die nach eigenem Bekunden ein positives Verhältnis zu ihren Eltern haben, seit dem Jahr 2002 zunimmt: 42% der Befragten kamen bestens mit ihren Eltern aus (2002: 31%), und 50% berichteten nur von gelegentlichen Meinungsverschiedenheiten. Nur in 7% der Fälle wurde die Beziehung als schlecht bezeichnet (2002: 9%). Zudem wollten 16% der jungen Menschen ihre Kinder genauso erziehen, wie sie selbst erzogen wurden, und weitere 58% so ähnlich. Nur 23% der Befragten (2002: 29%) möchten eigene Kinder (ganz) anders erziehen.

Die Hausarbeit wird in den kommenden Jahren an Bedeutung verlieren – nicht nur weil immer mehr Aufgaben von Geräten und Robotern übernommen werden, sondern auch weil immer seltener für die ganze Familie gekocht werden muss: Laut dem Ernährungsreport 2022 kochen 10% der Deutschen nie, 3% weniger als einmal pro Woche, 7% einmal und 34% zwei- bis dreimal pro Woche. Nur noch 46% kochen jeden Tag – mehr als 2019 (40%). Zudem werden immer mehr Arbeiten „ausgelagert“ werden, indem z.B. die Wäsche in die Reinigung gebracht wird oder Pizzas und andere Gerichte bei Lieferdiensten bestellt werden. Hausfrauen wird es kaum noch geben; die Familienarbeit wird für Frauen im Vergleich zur Erwerbstätigkeit einen immer geringeren Stellenwert haben.

Das Glück der Menschen

Der rasante technologische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Wandel sowie seine Folgen für Umwelt, Gesellschaft und die eigene Lebensgestaltung scheinen sich kaum auf das Glücksempfinden der Menschen auszuwirken. Laut der Innocenti Report Card 16 von UNICEF aus dem Jahr 2020 waren 75% der 15-Jährigen in Deutschland mit ihrem Leben sehr zufrieden. Das ist im Vergleich mit den anderen 37 Ländern, aus denen vergleichbare Daten vorlagen, jedoch nur Mittelmaß: In den Niederlanden waren es 90%, in Mexiko 86% und in Rumänien 85%. Am seltensten als sehr zufrieden mit ihrem Leben bezeichneten sich Schüler/innen in der Türkei (53%), in Japan (62%) und in Großbritannien (64%).

Laut dem „SKL Glücksatlas 2023“ stieg das Zufriedenheitsniveau bei Deutschen ab 16 Jahren auf einer Skala von 0 bis 10 von 6,7 Punkten im Jahr 2004 auf 7,14 Punkte im Jahr 2019 (Allzeithoch), sank 2021 auf 6,58 Punkte (wohl bedingt durch die Corona-Pandemi) und stieg 2023 auf 6,92 Punkte. Frauen waren um 0,06 Punkte weniger zufrieden mit ihrem Leben als Männer. Besonders hoch war die Zufriedenheit mit dem Familienleben (7,48 Punkte).

Einkommen und Vermögen sind relativ bedeutungslos für das Glücksempfinden. So hat die ökonomische Glücksforschung nachgewiesen, dass es weltweit nur bis zu einem Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 10.000 $ pro Kopf eine starke Korrelation zwischen Steigerung des BIP und Zunahme der Zufriedenheit gibt; ab 20.000 $ pro Kopf ist kaum noch eine Korrelation gegeben. Hier zeigt sich, dass Glück von anderen Faktoren abhängt als von der eigenen finanziellen Situation – sofern die materiellen Grundbedürfnisse befriedigt sind. Dann spielen der eigene Gesundheitszustand, die Zufriedenheit am Arbeitsplatz, die Work-Life-Balance, die sozialen Beziehungen, die Qualität von Wohnraum und Umwelt, die Bildung, das Gefühl der Sicherheit und ähnliche Variablen eine größere Rolle.

So werden die meisten Deutschen auch in den kommenden Jahren glücklich sein – selbst wenn sich ihre finanzielle Situation aufgrund steigender Steuern, Sozialversicherungsabgaben und Lebenshaltungskosten verschlechtern oder das Wirtschaftswachstum niedriger als erwartet ausfallen sollte. Für ihr Glücksempfinden werden andere Faktoren ausschlaggebend sein...